Noch wird der neue Bond gedreht. Doch Darsteller Daniel Craig verrät schon jetzt, wieso er ihn so verletzlich spielt und warum der Agent an den Frauen verzweifelt Daniel Craig läuft im T-Shirt durch das Restaurant, stoppt, guckt, schießt und schwingt sich elegant über den Tresen, stolpert, rappelt sich sekundenschnell auf und verschwindet durch die Küchenhintertür. Wieder und wieder. Schon das Zusehen sorgt für Muskelkater und kleine Augen. Es ist weit nach Mitternacht in Bregenz, wo die Schlüsselszenen des neuen James-Bond-Films gedreht werden. Sein englischer Titel lautet "Quantum of Solace", eine deutsche Übersetzung steht noch aus, ein "Quantum Trost" wirkt doch etwas sperrig für einen Blockbuster, mit dem der Regisseur Marc Forster die Modernisierung der 007-Mythologie vorantreiben möchte: mit dem britischen Agenten als neuem Mann.
Nie schien ein Bond zeitgemäßer inszeniert als mit Daniel Craig. "Daniels Bond ist ein bisschen naiver, mehr einer wie wir, also viel interessanter als früher", erklärt der Däne Jesper Christensen, der den undurchsichtigen Drahtzieher "Mr White" verkörpert, jenen Mann, dem Bond am Ende von "Casino Royale" ins Bein schoss.
Im Gegensatz zu früher knüpft dieser Bond unmittelbar an den vorangegangenen an, erzählt die Geschichte weiter. Mit Spannung, subtilem Humor und Überraschungen: Das Bond-Girl wird keinen Sex mit dem Agenten haben, wie Darstellerin Olga Kurylenko verrät. Wow! Natürlich gilt beim Dreh die Devise, so viel geheim halten wie möglich und trotzdem Neugier wecken, deswegen dürfen wenige Journalisten an den Set kommen. Wie kürzlich in Bregenz, wo die beeindruckende Kulisse der Seebühne auf dem Bodensee, das spektakuläre Bühnenbild der "Tosca"-Inszenierung mit einem riesigen Auge, den perfekten Hintergrund für den neuen Bond abgibt. Nachts drehen, tagsüber Interviews geben - die Bond-Darsteller brauchen nicht nur im Film gute Kondition.
An diesem Tag steckt Daniel Craigs durchtrainierter Körper in einem grauen Sakko, dazu trägt er ein lindgrünes Hemd und Jeans mit Designerflicken. Er ist kleiner als erwartet, dafür funkeln die Augen faszinierend und die Stimme vibriert tief. Als Einziger der Crew hat der FC-Liverpool-Fan zwei Bodyguards dabei. Er könne schroff sein, heißt es. Doch das Gegenteil war beim Interview der Fall: Sein Charme und sein britischer Humor wirken nicht gespielt.
Welt am Sonntag:
Der Titel des neuen Bond-Films erinnert an eine Kurzgeschichte Ian Flemings. Darin geht es um eine unglückliche Liebe. Ist der neue Bond ein Liebesfilm?
Craig:
Wir wollten etwas finden, das wirklich in Verbindung zu Ian Fleming steht, und diese Kurzgeschichte - es ist eine tolle Story - erzählt von dem Moment in einer Beziehung, in dem alles vorbei ist. Wie furchtbar das ist, wenn es kein Zurück gibt. Wie soll das gehen ...? Am Ende von "Casino Royale", steht ein Mann, dem etwas ganz Wichtiges genommen wird. Die Frau, die er liebt, begeht Selbstmord, weil er sie für schuldig hält, ein Doppelspiel gespielt zu haben. Doch er hatte es nie geschafft, der Sache nachzugehen, sie darauf anzusprechen. Genau da beginnt unsere Story: Er sucht ein wenig Trost - das "Quantum of Solace" - aber er kann sich nicht öffnen, das wäre ein Zeichen für Schwäche.
Sie spielen also wieder einen verletzlichen Mann. Was hat das noch mit James Bond zu tun?
Craig:
Vordergründig handelt es sich um jemanden, der ein gebrochenes Herz hat, der Rache sucht. Doch darum geht es nicht. Letztlich will Bond herausfinden, wer hinter diesem Doppelspiel seiner Geliebten stand, welche Organisation. Da spielen dann die Schurken mit hinein. Mir gefällt die Story. Wenn man den Titel liest, denkt man: Oh, eine Liebesgeschichte. Aber dann kommt ein James-Bond-Film. Der Titel ist irreführend, mir gefällt das.
Weicher Titel und harter Inhalt?
Craig:
Der Titel ist nicht alles, es ist nur ein Quäntchen. Ich mag ihn sehr.
Also trotzdem viel Action?
Craig:
Trotzdem sehr viel Action. Es ist immer noch James Bond.
Aber auch ein James Bond, der wegen einer Frau verzweifelt?
Craig:
Er ist doch immer ein bisschen verzweifelt wegen der Frauen, oder? Das ist eine seiner größten Schwächen.
Früher waren die Frauen doch wegen ihm verzweifelt ...
Craig:
Ich weiß nicht ... Ich habe neulich noch einmal Ian Fleming gelesen. In diesen Büchern ist James Bond sehr emotional. Er verliebt sich und ist ständig am Boden zerstört. Man denkt immer, er ist es, der die Frauen verlässt, aber in den Büchern sind es meistens die Frauen, die gehen, weil sie nicht damit klarkommen, wie er ist, wer er ist. Weil er so eingleisig ist und immer nur an die Arbeit denkt.
Ist es heutzutage notwendig zu zeigen, dass eine Frau einen starken Mann verlassen kann?
Craig:
Haben wir das nicht immer schon gewusst?
Gewusst schon, aber nicht wirklich darüber gesprochen.
Craig:
Aber es ist die Wahrheit. Ian Fleming war eine sehr komplexe Persönlichkeit. Die Frauen hatten großen Einfluss auf ihn, und ich denke, das merkt man seinen Büchern an. Es geht nicht so sehr um Sensibilität, sondern um Offenheit, Verletzlichkeit. Das macht Bond sehr interessant. Es gefällt mir.
Sean Connery nannte Bond "Smoking-Jacke auf dem Kleiderbügel" ...
Craig:
... Wann hat er das gesagt?
1968
Craig:
Okay, er hatte bestimmt Gründe dafür, damals. Aber es ist ... Na ja, ich will Connery nicht an den Karren fahren. Mit ihm sollte man sich lieber nicht anlegen!
Und wie sehen Sie James Bond?
Craig:
Wir haben es mit einem Charakter zu tun, der versucht, der Welt einen Sinn abzuringen, gegen das zu kämpfen, was er als das Böse erkennt. Er ist sehr unabhängig und müsste politischer sein. Und es geht darum, wie Regierungen sich verändern und wie die Dinge passieren. Wir müssen daran glauben, dass es in jedem Land eine Organisation gibt, die weiß, was richtig und was falsch ist, die die Wahrheit kennt. Wenn man diesen Glauben verliert, ist alles aus! Das klingt vielleicht sehr mythisch, aber so ist es. Die Regierungen machen Fehler, sie sind womöglich korrupt, aber irgendwo sitzen Leute, die in unserem Interesse handeln.
Ist James Bond nicht eine Figur des alten Europa? Ist er überhaupt noch zeitgemäß?
Craig:
Sicher, die Geschichte ist alt, und ich denke, sie ist klasse. Sie geht zurück auf die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, als der Kalte Krieg ausbrach. Aus dieser Zeit des Umbruchs heraus entwickelte sich diese einsame Figur. Aber auch wir leben in unsicheren Zeiten. Die Welt befindet sich im Wandel, und das hat große Auswirkungen auf alles um uns herum. Und damals wie heute müssen wir wohl oder übel an die menschliche Natur glauben, an das Gute im Menschen.
In James-Bond-Filmen gibt es keine Jahreszeiten, und es ist egal, wo sie spielen. Ist das Konzept also zeitlos?
Craig:
Ich glaube, es geht nicht ohne diese Hyperwelt, in der man aus Flugzeugen steigen kann und sich an irgendeinem Badeort befindet. Als ich klein war, war für mich immer eine der wichtigsten Fragen beim neuen James Bond: Wohin geht es diesmal? Diesmal sind wir noch mehr gereist als sonst. Wir waren zwei Monate lang in Mittelamerika, und jetzt sind wir hier in Bregenz, wo eine ganze Oper aufgeführt wird, mitten im Dreh. Das ist eine tolle Erfahrung und wird visuell bestimmt ganz toll.
Es scheint, dass die Rolle Ihr Leben sehr verändert ...
Craig:
Natürlich hat sich mein Leben verändert. Ich kann mich nicht mehr so einfach bewegen wie früher, aber ich bewege mich anders. Jetzt sind wir hier. Alle wissen, dass wir hier sind, alle wollen mich sehen, also kann ich nicht einfach so rumlaufen. Wenn ich wieder zu Hause bin und keinen Film mehr drehe, beruhigt sich das wieder, und die Leute suchen sich jemand anderen aus. Dann kann ich wieder machen, was ich will.
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